Letztes Brizzeln im Museum



Am Wochenende verabschiedeten sich die Münsteraner vom Gebäude am Domplatz

[…] Der erste Abschiedsakt am Freitagabend ist nicht weniger gut besucht. Neugierige drängen sich um ein kleines Podest. Sie versuchen das Geheimnis von Hammerhaus zu ergründen. Mehr oder weniger fachmännsich tauschen sie sich über den mächtigen Sequenzer und das daneben fast etwas unscheinbare Visual Piano aus. Kopfschütteln. Ratlosigkeit. Unglaube. Da entdeckt einer den Laptop, der etwas versteckt unter dem Instrumentarium steht: »Doch alles aus dem Computer!« Nicht schlecht gefolgert. Doch die beiden menschlichen Komponenten des audiovisuellen Künstlerduos Hammerhaus, der Lichtgestalter Laurenz Theinert und der Musiker Axel Hanfreich, sind wohl kaum so entbehrlich, wie dieser Zuschauer es annimmt. Vom ersten Augenblick an schlagen sie das Publikum im Saal des Kunstvereins in ihren Bann. Es kann sich auch kaum erwehren, denn durch die 360-Grad-Projektionstechnik wird es zu einem Teil des Schauspiels, das hier geboten wird. Das leise Knarzen aus den Lautsprechern findet seine Entsprechung in zackigen, gestrichelten Linien auf den Wänden, farbige Balkenmuster fallen auf die Gesichter der Besucher und der Künstler. Der Raum und sein Inhalt werden zum Kunstwerk: Eine große Maschine, die Licht. Farben und Geräusche produziert.
In großen Gesten streicht Laurenz Theinert über das Lichtklavier, traktiert tasten und Pedale. Axel Hanfreich drückt Knöpfe, dreht und schiebt Regler am Sequenzer: Sehr sparsam, aber sehr effektvoll. Minimale Beats, die zum Tanzen einladen, wechseln sich mit verstörenden Noiseorgien ab. Das Ergebnis überzeugt. Schade, dass sich niemand traut in entsprechend ekstatische Bewegungen auszubrechen. Manchmal ist die Ehrfurcht vor zeitgenössischer Kunst vielleicht zu groß. […]


Ruhrnachrichten, 19.04.2009, Sabine Müller, Daniel Grimm

Klingendes Licht



Zehn Jahre Tube: Eine grandiose Geburtstagsperformance

[…] Von vorneherein aufs Visuelle zielten »Die Sonografen«. Zur mit Drum & Bass, psychedelischen Elementen und schock-artigen Geräuscheffekten angereicherten Neuen Musik von Friedemann Dähn wirft Kurt Laurenz Theinert als 360-Grad-Panorama Licht an die Wand. Klingt harmlos, ist aber überwältigend! Wie sich da Balken aus weißem Licht verformen, rastern, überlagern, farbig werden, tanzen, Netze auswerfen – all das wunderbar die Musik aufgreifend, aber auch über sie hinausführend – ist schlicht genial. Die kleine Tastatur mit ein paar Reglern, die das vollbringt, hat Theinert erfunden, ein befreundeter Informatiker liefert die Software. Nie hat der Begriff »Lichtorgel« so gepasst wie hier, wenn Theinert auf seinem »Visual Piano« in Echtzeit und ohne Koppelung an den Musiker mit Licht improvisiert. […]


Süddeutsche Zeitung, 03.10.2010
Oliver Hochkeppel

hammerhaus



Aus der Stille taucht ein Rascheln auf. Dann ein dumpfes Klopfen. Zögerlich wird ein Beat daraus, der erst unverbindlich pocht, bald aber fordernd hämmert, lose Harmonien und Tonfolgen mit sich fortreißt und schließlich zu dicht gedrängten Rhythmus- und Klangsstrukturen findet. Die elektronische Musik von Hammerhaus liebt das Eskalationsprinzip und das Kombinieren von Club- Beats mit Soundgebilden zwischen Ambient und experimenteller Klangkunst. Während Axel Hanfreich für digitale Beats und analoge Loops zuständig ist, bedient Laurenz Theinert ein Visual Piano, mit dem er über eine Tastatur grafische Elemente in Echtzeit erzeugen und verändern kann. Die Bilder, die er so an die Wand wirft, sind integraler Bestandteil des Konzepts. Die Musik von Hammerhaus ist im positiven Sinne bedeutungslos, verweist auf nichts außer sich selbst, und findet in den Rechtecken und Linien, mit denen Theinert die Leinwand füllt, ihr visuelles Äquivalent. Die minimalistischen Sounds von Hanfreich tönen wie Eindrücke aus einer abstrakten Welt, die keine natürliches Geräusche kennt, nicht einmal Diagonalen, sondern nur rechts und links, oben und unten – als hätte Mondrian die Musik gemalt. Die Stücke, die das Duo in zwei jeweils halbstündigen Sets spielt, sind aus Improvisationen entstanden und lassen den Klang- und Video-künstlern weiterhin viel Freiraum. Mal ergänzen Theinerts grafische Umsetzungen das Klangbild, mal setzen sie einen Gegenrhythmus. Und Hanfreich erweist sich als ein Virtuose an den Sequenzer-Reglern, der eine Vorliebe für Beats hat, die schmatzend am Boden festzukleben scheinen.


Stuttgarter Nachrichten, 14.08.2004

Hochästhetisches Lichtballett



So herrschte vor der ersten Aufführung in dem kleinen, eigentlich nur für 30 Zuschauer konzipierten Raum im ersten Stock des Museums dicke Luft: Es kam zu deutlichen Unmutsäußerungen, wohl auch kleineren Rangeleien wegen des unerwarteten Ansturms auf die Performance. Dass die Veranstalter davon überrascht wurden, ist nicht verwunderlich. Bei Experimentellem aus dem Avantgarde-Musik-Sektor regiert in der hiesigen Umgebung meist eher gähnende Leere. Drückend voll war der abgedunkelte Raum freilich noch bei der zweiten, halbstündigen Vorführung. Publikum, von Greisen bis Kindern, setzten sich gar auf den Boden, um diese Improvisation aus Licht und Musik zu erleben. Die Ausgangssituation ist dabei ähnlich einem Planetarium, auch wenn keine Sterne an der Kuppeldecke leuchten. Aber Seitenwände und Decken des rechteckigen Raums dienen als Projektionsfläche für Kurt Theinerts Lichtgebilde, der in Raummitte hinter einem kleinen elektronischen Tasteninstrument, von ihm »Visual Piano« getauft, sitzt. In einem Fach darunter liegt ein Laptop, am Boden sind Pedale, wie sie beispielsweise E-Gitarristen zur Lautstärkesteuerung nutzen. Ihm gegenüber sitzt Scott Roller mit klassischem Cello, das er dezent verstärkt. Ein kleines Effektgerät, ein so genanntes Delay, ermöglicht ihm, Gespieltes aufzunehmen und sofort wieder mitlaufen zu lassen, was endlos gehen kann, bis er die Spuren wieder löscht. Auch dieses Delay setzt er sparsam ein, produziert damit vielleicht mal einen knisternden Clusterteppich oder eine kleine Bass-Begleitfigur. Das Gros aber spielt er spontan ohne Maschinenunterstützung. Auch deshalb entfaltet sich hier extrem viel Dynamik. Optisch kann das Visual Piano, das vier Projektoren steuert, mit den Grundelementen von Lichtmosaiksteinchen und Linie alle Extreme zwischen Punkt und Fläche abdecken, indem Lichtintensität, Ausdehnung, Farbe und Position gesteuert werden: Der Eindruck reicht vom chaotischen Sternenfirmament über geometrische Architekturskizzen bis zu Geweben und satten Lichttapeten. Der Lichtkünstler beherrscht nach jahrelangem Üben sein Instrument virtuos, gaukelt Kristall-Innenansichten vor, die flugs in Draufsichten wechseln, entwirft bizarre Tempelanlagen, die computergeneriert wachsen und sich verformen, bis Theinert sie wegwischt. Blitzartige Lichtgewitter gehen dabei ebenso nieder wie gemächlich sich entwickelnde Gemälde, immer im Duett mit dem frei improvisierenden, zwischen Wohlklang und Klangexperiment changierenden, ausgezeichneten Cellisten. Die Inspirationsrichtung ist dabei offen. Beide Improvisateure sind sowohl Initiatoren als auch Reagierende und kreieren damit ein unablässiges Erstaunen provozierendes hochästhetisches Lichtballett.


Sindelfinger Zeitung, 15.03.2011
Bernd Heiden